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Hegels Versöhnung der Philosophie mit dem Staat und der christlichen Religion

Publié le 02/12/2021

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Hegels Rechtsphilosophie, welche gleichzeitig mit der ersten Vorlesungüber die Religionsphilosophie erschien, ist die konkrete Ausführungder prinzipiellen Tendenz zur Versöhnung der Philosophie mitder Wirklichkeit überhaupt: als Staatsphilosophie mit der politischen,als Religionsphilosophie mit der christlichen. In beiden Bereichenversöhnt sich Hegel nicht nur mit der Wirklichkeit, sondernauch in ihr, obschon »im Begreifen«. Auf diesem Höhepunkt seinerWirksamkeit hat er die wirkliche Welt als eine dem Geist »gemäße«begriffen und andrerseits hat sich der preußisch-protestantische Staatdie Philosophie in Hegels Person zu eigen gemacht.114 In der Vorredezur Rechtsphilosophie erläutert Hegel ausdrücklich-polemisch »dieStellung der Philosophie zur Wirklichkeit«. Hier liegt der problematischePunkt, an dem Marx und Kierkegaard eingesetzt haben mitihrer These, daß die Philosophie zu verwirklichen sei. Die philosophischeTheorie wurde bei Marx zum »Kopf des Proletariats«; beiKierkegaard wurde das reine Denken zum »existierenden Denker«,denn die bestehende Wirklichkeit schien weder vernünftig noch christlichzu sein.Hegels Staatsphilosophie wendet sich gegen die Meinung, als habe esin der Wirklichkeit noch nie einen vernünftigen Staat gegeben, als seider wahre Staat ein bloßes »Ideal« und ein »Postulat«.115 Die wahrePhilosophie sei als ein »Ergründen des Vernünftigen« ebendamit auchdas Erfassen des »Gegenwärtigen und Wirklichen«, aber kein Postulierenvon etwas Jenseitigem, von einem Idealstaat, der nur sein soll,aber nie da ist. Den gegenwärtigen preußischen Staat von 1821 begriffer als eine Wirklichkeit im definierten Sinn der Logik, d. i. alsunmittelbar gewordene Einheit von innerem Wesen und äußerer Existenz,als eine Wirklichkeit im »emphatischen« Sinne des Wortes.116In dieser nunmehr erreichten »Reife der Wirklichkeit« - reif also auchzum Untergang — steht der Gedanke der Wirklichkeit nicht mehr kritischentgegen, sondern als das Ideale dem Realen versöhnt »gegenüber«.117 Die ihrer selbst bewußte Vernunft - die Staatsphilosophie -und die Vernunft als vorhandene Wirklichkeit - als wirklicher Staat -sind miteinander geeint und »in der Tiefe« des substanziellen Geistesder Zeit ein und dasselbe.118 Was aber »zwischen« der Vernunft alsselbstbewußtem Geist und der vorhandenen Wirklichkeit liegt, wasjene von dieser noch trennt und der Versöhnung widersteht, das er-59klärt Hegel so apodiktisch wie unbestimmt als die »Fessel irgendeinesAbstraktums, das noch nicht zum Begriff befreit ist«.119 Diesen hiatusirrationalis überbrückt seine Erläuterung zum Begriff der vernünftigenWirklichkeit mittels der Unterscheidung von »Anschein« und »Wesen«,von »bunter Rinde« und »innerem Puls«,120 von äußerlich zufälligerExistenz und innerlich notwendiger Wirklichkeit. Hegels Ausschlußder nur vorübergehenden, »zufälligen« Existenz aus dem Interesseder Philosophie als einer Erkenntnis der Wirklichkeit kam jedoch aufihn selber zurück in dem Vorwurf der »Akkommodation« gerade andas vorübergehend Bestehende. Diese Anpassung an die bestehendeWirklichkeit wird in Hegels Begreifen dessen, »was ist«, dadurch verdeckt,daß das »was ist« sowohl das nur noch Bestehende als auch daswahrhaft Wirkliche deckt.Noch wichtiger als die Staatsphilosophie ist für das Verständnis vonHegels Prinzip die Religionsphilosophie. Sie ist kein abzusondernderTeil des ganzen Systems, sondern sein geistiger Schwerpunkt. HegelsPhilosophie ist »Weltweisheit«121 und »Gotteserkenntnis«122 in eins,denn ihr Wissen rechtfertigt den Glauben. Er nannte sich von Gottdazu verdammt, ein Philosoph zu sein,123 und die »Sprache der Begeisterung« war ihm ein und dieselbe mit der des »Begriffs«. Das Lesender Zeitung schien ihm gleichberechtigt dem der Bibel zur Seite zustehen: »Das Zeitunglesen des Morgens früh ist eine Art von realistischemMorgensegen. Man orientiert seine Haltung gegen die Weltan Gott oder an dem, was die Welt ist. Jenes gibt dieselbe Sicherheitwie hier, daß man wisse, wie man daran sei.« 124 Die wahre Philosophieist selber schon Gottesdienst, obzwar »auf eigentümlicheWeise«, die Geschichtsphilosophie eine Theodizee, die Staatsphilosophieein Begreifen des Göttlichen auf Erden, die Logik eine DarstellungGottes im abstrakten Element des reinen Denkens.Die philosophische Wahrheit des Christentums bestand für Hegel darin,daß Christus die Entzweiung des Menschlichen und des Göttlichenzur Versöhnung gebracht hat.125 Diese Versöhnung kann für denMenschen nur deshalb Zustandekommen, weil sie an sich schon inChristus geschah; sie muß aber auch durch uns und für uns selber hervorgebrachtwerden, damit sie an und für sich zu der Wahrheit wird,die sie ist.126 Diese für Hegel in der Menschwerdung Gottes beglaubigteEinheit der göttlichen und menschlichen Natur überhaupt wurdesowohl für Marx wie für Kierkegaard schlechthin wieder entzweit.Der entschiedene Atheismus von Marx, sein absoluter Glaube an denMenschen als solchen, ist darum von Hegel prinzipiell weiter ent-60fernt als von Kierkegaard, dessen paradoxer Glaube die Differenzzwischen Gott und dem Menschen zur Voraussetzung hat. Für Marxist das Christentum eine »verkehrte Welt«, für Kierkegaard ein weltlosesStehen »vor« Gott, für Hegel ein Sein in der Wahrheit aufGrund der Menschwerdung Gottes. Göttliche und menschliche Natur»in einem«, das sei zwar ein harter und schwerer Ausdruck, aber dochnur solange, als man ihn vorstellungsmäßig hinnimmt und nicht geistigergreift. In der »ungeheuren Zusammensetzung« »Gottmensch«werde es dem Menschen zur Gewißheit gebracht, daß die endlicheSchwäche der menschlichen Natur nicht unvereinbar sei mit dieserEinheit.127Als »Zustand« angesehen ist die Versöhnung des Irdischen und desGöttlichen das »Reich Gottes«,128 das heißt eine Wirklichkeit, in derGott als der eine und absolute Geist herrscht. Diese Wirklichkeit imDenken methodisch hervorzubringen, war schon das Ziel des jungenHegel gewesen,129 und in seiner Geschichte der Philosophie schien esihm »endlich« erreicht. Das »Reich Gottes« der Religionsphilosophieist identisch mit dem »intellektuellen Reich« der Geschichte der Philosophieund mit dem »Geisterreich« der Phänomenologie. Die Philosophieist so im Ganzen dieselbe Versöhnung mit der Wirklichkeit, welchedas Christentum durch Gottes Menschwerdung ist, und als die endlichbegriffene Versöhnung ist sie eine philosophische Theologie. Durchdiese Versöhnung der Philosophie mit der Religion schien Hegel der»Friede Gottes« auf vernünftige Weise hergestellt.Indem Hegel sowohl den Staat wie das Christentum ontologisch ausdem Geist als dem Absoluten begreift, verhalten sich auch Religionund Staat zueinander konform. Er erörtert ihr Verhältnis mit Rücksichtauf ihre Verschiedenheit und im Hinblick auf ihre Einheit. DieEinheit liegt im Inhalt, die Verschiedenheit in der verschiedenenForm des einen und selben Inhalts. Weil die Natur des Staates »göttlicherWille als gegenwärtiger« ist, ein sich zur wirklichen Organisationeiner Welt entfaltender Geist, und weil andererseits die christlicheReligion auch nichts anderes zum Inhalt hat als die absoluteWahrheit des Geistes, können und müssen sich Staat und Religion aufdem Boden des christlichen Geistes zusammenfinden, wenngleich sie inder Formung desselben Inhalts in Kirche und Staat auseinandertreten.130 Eine Religion des bloßen »Herzens« und der »Innerlichkeit«,die gegen die Gesetze und Einrichtungen des Staates und der denkendenVernunft »polemisch« ist, oder es bloß passiv bei der Weltlichkeitdes Staates bewenden läßt, zeuge nicht von der Stärke,61sondern von der Schwäche der religiösen Gewißheit. »Der wahreGlaube ist unbefangen, ob die Vernunft ihm gemäß sei oder nicht,ohne Rücksicht und Beziehung auf die Vernunft.«131 Der letztere seiaber »unserer Zeit« eigen und man könne fragen, ob er einem »wahrenBedürfnis« entspringe oder einer »nicht befriedigten Eitelkeit«.Die wahrhafte Religion habe keine negative Richtung gegen den bestehendenStaat, sondern sie anerkennt und bestätigt ihn, so wieandrerseits der Staat die »kirchliche Vergewisserung« anerkennt. WasKierkegaards extrem polemischem Glaubensbegriff als verwerflicherKompromiß erschien, war für Hegel eine wesenhafte Übereinkunft.132»Es ist in der Natur der Sache, daß der Staat seine Pflicht erfüllt,der Gemeinde für ihren religiösen Zweck allen Vorschub zu tun undSchutz zu gewähren, ja, indem die Religion das ihn für das Tiefsteder Gesinnung integrierende Moment ist, von allen seinen Angehörigenzu fordern, daß sie sich zu einer Kirchengemeinde halten, - übrigenszu irgendeiner, denn auf den Inhalt, insofern er sich auf dasInnere der Vorstellung bezieht, kann sich der Staat nicht einlassen.Der in seiner Organisation ausgebildete und darum starke Staat kannsich hierin desto liberaler verhalten, Einzelheiten, die ihn berühren,ganz übersehen und selbst Gemeinden (wobei es freilich auf die Anzahlankommt) in sich aushalten, welche selbst die direkten Pflichtengegen ihn religiös nicht anerkennen.« 133 Die philosophische Einsichterkennt, daß Kirche und Staat im Inhalt der Wahrheit identisch sind,wenn beide auf dem Boden des Geistes stehen. Im christlichen Prinzipdes absolut freien Geistes ist die absolute Möglichkeit und Notwendigkeitvorhanden, »daß Staatsmacht, Religion und die Prinzipien derPhilosophie zusammenfallen - die Versöhnung der Wirklichkeit überhauptmit dem Geiste, des Staates mit dem religiösen Gewissen, desgleichenmit dem philosophischen Wissen sich vollbringt«.134 HegelsPhilosophie des objektiven Geistes schließt mit dem Satz: »Die Sittlichkeitdes Staates und die religiöse Geistigkeit des Staates sind sichso die gegenseitigen Garantien.«Indem Hegel das Christentum absolut und zugleich geschichtlich imZusammenhang mit der Welt und dem Staate begreift, ist er der letztechristliche Philosoph vor dem Bruch zwischen der Philosophie und demChristentum. Diesen Bruch haben von zwei entgegengesetzten Seitenher Feuerbach und Kierkegaard festgestellt und vollzogen. Eine Vermittlungder christlichen Dogmatik mit der Philosophie ist nach Feuerbachsowohl im Interesse der Philosophie wie der Religion zu verneinen.135 Denn wenn man das Christentum in seiner geschichtlich-62bestimmten Wirklichkeit nimmt, und nicht als unbestimmte »Idee«,dann ist jede Philosophie notwendig irreligiös, weil sie die Welt mitVernunft erforscht und das Wunder verneint.136 Im gleichen Sinn hatauch Ruge behauptet, daß alle Philosophie von Aristoteles an »Atheismus« sei,137 weil sie die Natur und den Menschen überhaupt untersuchtund begreift. Andererseits kann aber auch das Christentum keinbloßes Moment in der Geschichte der Welt und eine humane Erscheinungsein wollen. — »Philosophie und Christentum lassen sichdoch nie vereinen«, beginnt eine Tagebuchaufzeichnung Kierkegaards.Denn wenn ich etwas von dem Wesen des Christentums festhaltenwill, dann muß sich die Notwendigkeit der Erlösung auf den ganzenMenschen erstrecken und also auch auf sein Wissen. Man kann sichzwar eine Philosophie »nach dem Christentum« denken, d. h. nachdemein Mensch Christ wurde, aber dann betrifft das Verhältnis nichtdas der Philosophie zum Christentum, sondern das des Christentumszur christlichen Erkenntnis — »es sei denn, man wollte haben, daß diePhilosophie vor dem Christentum oder innerhalb seiner zu dem Resultatkommen sollte, daß man das Rätsel des Lebens nicht lösenkönnte«. Dann würde aber die Philosophie auf der Höhe ihrer Vollendungihren Untergang involvieren - ja, sie könnte nicht einmal zueinem Übergang zum Christentum dienen, denn sie müßte bei diesemnegativen Resultat stehen bleiben. »Überhaupt, hier liegt der gähnendeAbgrund: das Christentum statuiert die Erkenntnis des Menschenals mangelhaft auf Grund der Sünde, als berichtigt im Christentum;der Philosoph sucht gerade qua Mensch sich Rechenschaft zu gebenvon dem Verhältnis Gottes und der Welt; das Resultat kanndarum wohl als begrenzt anerkannt werden, insofern der Mensch einbegrenztes Wesen ist, aber zugleich als das größtmögliche für denMenschen qua Mensch.« 138 Der Philosoph muß - christlich beurteilt -»entweder den Optimismus annehmen - oder verzweifeln«, weil erals Philosoph die Erlösung durch Christus nicht kennt.139 Im Gegensatzzu diesem Entweder-Oder hat Hegel die Vernunft aristotelisch vergöttlichtund das Göttliche mit Rücksicht auf Christus bestimmt!Hegels Versöhnung der Vernunft mit dem Glauben und des Christentumsmit dem Staat im Elemente der Philosophie war um 1840 zuEnde gekommen. Der zeitgeschichtliche Bruch mit der HegeischenPhilosophie ist bei Marx ein Bruch mit der Staatsphilosophie und beiKierkegaard mit der Religionsphilosophie, überhaupt mit der Vereinigungvon Staat, Christentum und Philosophie. Diesen Bruch hatFeuerbach ebenso entschieden vollzogen wie Marx und B. Bauer nicht63minder als Kierkegaard, nur auf verschiedene Weise. Feuerbach reduziertdas Wesen des Christentums auf den sinnlichen Menschen, Marxauf die Widersprüche in der menschlichen Welt, Bauer erklärt seinenHervorgang aus dem Untergang der römischen Welt und Kierkegaardreduziert es, unter Preisgabe des christlichen Staates, der christlichenKirche und Theologie, kurz seiner ganzen weltgeschichtlichen Realität,auf das Paradox eines verzweifelt-entschlossenen Sprungs in denGlauben. Worauf immer sie. das bestehende Christentum reduzieren,sie destruieren gemeinsam die bürgerlich-christliche Welt und damitauch Hegels philosophische Theologie der Versöhnung. Die Wirklichkeiterschien ihnen nicht mehr im Lichte der Freiheit des Beisichselbstseins,sondern im Schatten der Selbstentfremdung des Menschen.Im klaren Bewußtsein um das volle Ende von Hegels christlicher Philosophiehaben Feuerbach und Rüge, Stirner und Bauer, Kierkegaardund Marx als die wirklichen Erben der Hegeischen Philosophie eine»Veränderung« proklamiert, die den bestehenden Staat und das bestehendeChristentum entschieden negiert. Ebenso wie die Junghegelianerhaben auch die Althegelianer den endgeschichtlichen Sinn vonHegels Lehre begriffen. Sie waren so konsequent, daß sie noch um1870 alle seit Hegel hervorgetretenen Philosophien als die bloßeNachgeschichte seines Systems verstanden, während die Junghegelianeres mit seiner eigenen Methode zersetzten. Sie alle haben gegenüberden Neuhegelianern den Vorzug, daß sie den Anspruch nicht verkannten,der im »Schluß« der Logik und Phänomenologie, im »System« der Encyclopädie und im »Beschluß« der Geschichte der Philosophieliegt.

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