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Georg Büchner: Der Hessische Landbote - Geschichte.

Publié le 15/06/2013

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Georg Büchner: Der Hessische Landbote - Geschichte. Ende Juli 1834 veröffentlichten Georg Büchner und der Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig anonym ihre sozialrevolutionäre Flugschrift Der Hessische Landbote. Büchner, der den ersten Teil der Schrift verfasste (der dann allerdings von Weidig redigiert und deutlich ,,entschärft" wurde), prangerte vor allem die eklatante soziale Ungerechtigkeit im Großherzogtum Hessen an und rief die armen Bevölkerungsschichten, in erster Linie die Masse der armen Landbevölkerung, nachgerade zur Revolution gegen die ,,Palläste", die Reichen auf. Die Schrift, die als eines der bedeutendsten Zeugnisse der revolutionären Publizistik aus der Zeit des Vormärz gilt, wurde in rund 1 000 Exemplaren gedruckt; ein Teil der Auflage wurde von der Obrigkeit beschlagnahmt, der Rest fand zwar Verbreitung, zeitigte aber praktisch keine Wirkung. Georg Büchner: Der Hessische Landbote Erste Botschaft Vorbericht Darmstadt, im Juli 1834. Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit melden, aber wer die Wahrheit sagt, wird gehenkt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum haben die, welchen dies Blatt zukommt, folgendes zu beobachten: 1. Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vor der Polizei verwahren; 2. sie dürfen es nur an treue Freunde mittheilen; 3. denen, welchen sie nicht trauen, wie sich selbst, dürfen sie es nur heimlich hinlegen; 4. würde das Blatt dennoch bei Einem gefunden, der es gelesen hat, so muß er gestehen, daß er es eben dem Kreisrath habe bringen wollen; 5. wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm findet, der ist natürlich ohne Schuld. Friede den Hütten! Krieg den Pallästen! Im Jahr 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am 5ten Tage, und die Fürsten und Vornehmen am 6ten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: ,,Herrschet über alles Gethier, das auf Erden kriecht", und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen. Im Großherzogthum Hessen sind 718 373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich an 6 363 364 Gulden [...] Dies Geld ist der Blutzehnte, der vom Leib des Volkes genommen wird. An 700 000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird es erpreßt, die Presser berufen sich auf die Regierung und die Regierung sagt, das sey nöthig die Ordnung im Staat zu erhalten. Was ist denn nun das für gewaltiges Ding: der Staat? Wohnt eine Anzahl Menschen in einem Land und es sind Verordnungen oder Gesetze vorhanden, nach denen jeder sich richten muß, so sagt man, sie bilden einen Staat. Der Staat also sind Alle; die Ordner im Staate sind die Gesetze, durch welche das Wohl Aller gesichert wird, und die aus dem Wohl Aller hervorgehen sollen. - Seht nun, was man in dem Großherzogthum aus dem Staat gemacht hat; seht, was es heißt: die Ordnung im Staate erhalten! 700 000 Menschen bezahlen dafür 6 Millionen, d. h. sie werden zu Ackergäulen und Pflugstieren gemacht, damit sie in Ordnung leben. In Ordnung leben heißt hungern und geschunden werden. Wer sind denn die, welche diese Ordnung gemacht haben, und die wachen, diese Ordnung zu erhalten? Das ist die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird gebildet von dem Großherzog und seinen obersten Beamten. Die andern Beamten sind Männer, die von der Regierung berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten. Ihre Anzahl ist Legion: Staatsräthe und Regierungsräthe, Landräthe und Kreisräthe, Geistliche Räthe und Schulräthe, Finanzräthe und Forsträthe usw. mit allem ihrem Heer von Sekretären usw. Das Volk ist ihre Heerde, sie sind seine Hirten, Melker und Schinder; sie haben die Häute der Bauern an, der Raub der Armen ist in ihrem Hause; die Thränen der Wittwen und Waisen sind das Schmalz auf ihren Gesichtern; sie herrschen frei und ermahnen das Volk zur Knechtschaft. Ihnen gebt ihr 6 000 000 fl. Abgaben; sie haben dafür die Mühe, euch zu regieren; d. h. sich von euch füttern zu lassen und euch eure Menschen- und Bürgerrechte zu rauben. Georg Büchner, Ludwig Weidig: Der Hessische Landbote. Texte, Briefe, Prozeßakten. Kommentiert von Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt am Main 1976, S. 5ff. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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