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Bonaventura: Nachtwachen (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Bonaventura: Nachtwachen (Sprache & Litteratur). Die Nachtwachen von Bonaventura, anonym erschienen im Jahr 1804, gehört zu den faszinierendsten Texten der literarischen Romantik in Deutschland. Der Urheber des ungewöhnlich blasphemischen und nihilistischen Werkes ist unbekannt. Eine ganze Reihe von Literaturwissenschaftlern hat versucht, die Autorschaft des Romans zu klären, ohne sie letztlich klären zu können. Als mögliche Autoren wurden u. a. Friedrich Gottlob Wetzel ins Auge gefasst, Ernst August Friedrich Klingemann, Gotthilf Heinrich Schubert, aber auch namhafte Schriftsteller wie Jean Paul, Friedrich Schlegel oder Clemens Brentano. Die ausgewählte Leseprobe bietet einen Ausschnitt aus der ersten Nachtwache. Im Mittelpunkt der blasphemischen Szene steht ein kranker Freigeist, der sich angesichts seines Todes weigert, die christlichen Sakramente zu empfangen. Die Textstelle erinnert an den scheinbaren Tod des Protagonisten in Jean Pauls Roman Siebenkäs. Bonaventura: Nachtwachen Ich blickte noch einmal hinauf, und gewahrte seinen Schatten an der Wand, er war in einer tragischen Stellung begriffen, die eine Hand in den Haaren, die andre hielt das Blatt, von dem er wahrscheinlich seine Unsterblichkeit sich vorrezitierte. Ich stieß ins Horn, rief ihm laut die Zeit zu, und ging meiner Wege. - Halt! dort wacht ein Kranker - auch in Träumen, wie der Poet, in wahren Fieberträumen! Der Mann war ein Freigeist von jeher, und er hält sich stark in seiner letzten Stunde, wie Voltaire. Da sehe ich ihn durch den Einschnitt im Fensterladen; er schaut blaß und ruhig in das leere Nichts, wohin er nach einer Stunde einzugehen gedenkt, um den traumlosen Schlaf auf immer zu schlafen. Die Rosen des Lebens sind von seinen Wangen abgefallen, aber sie blühen rund um ihn auf den Gesichtern dreier holder Knaben. Der jüngste droht ihm kindlich unwissend in das blasse starre Antlitz, weil es nicht mehr lächeln will, wie sonst. Die andern beiden stehen ernst betrachtend, sie können sich den Tod noch nicht denken in ihrem frischen Leben. Das junge Weib dagegen mit aufgelöstem Haar und offner schöner Brust, blickt verzweifelnd in die schwarze Gruft, und wischt nur dann und wann den Schweiß, wie mechanisch von der kalten Stirn des Sterbenden. Neben ihm steht, glühend vor Zorn, der Pfaff mit aufgehobenem Kruzifixe, den Freigeist zu bekehren. Seine Rede schwillt mächtig an wie ein Strom, und er malt das Jenseits in kühnen Bildern; aber nicht das schöne Morgenrot des neuen Tages und die aufblühenden Lauben und Engel, sondern, wie ein wilder Höllenbreughel, die Flammen und Abgründe und die ganze schaudervolle Unterwelt des Dante. Vergebens! der Kranke bleibt stumm und starr, er sieht mit einer fürchterlichen Ruhe ein Blatt nach dem andern abfallen, und fühlt wie sich die kalte Eisrinde des Todes höher und höher zum Herzen hinaufzieht. Der Nachtwind pfiff mir durch die Haare und schüttelte die morschen Fensterladen, wie ein unsichtbarer herannahender Todesgeist. Ich schauderte, der Kranke blickte plötzlich kräftig um sich, als gesundete er rasch durch ein Wunder und fühlte neues höheres Leben. Dieses schnelle leuchtende Auflodern der schon verlöschenden Flamme, der sichere Vorbote des nahen Todes, wirft zugleich ein glänzendes Licht in das vor dem Sterbenden aufgestellte Nachtstück, und leuchtet rasch und auf einen Augenblick in die dichterische Frühlingswelt des Glaubens und der Poesie. Sie ist die doppelte Beleuchtung in der Corregios Nacht, und verschmilzt den irdischen und himmlischen Strahl zu einem wunderbaren Glanze. Der Kranke wies die höhere Hoffnung fest und entschieden zurück, und führte dadurch einen großen Moment herbei. Der Pfaff donnerte ihm zornig in die Seele und malte jetzt mit Flammenzügen wie ein Verzweifelnder, und bannte den ganzen Tartarus herauf in die letzte Stunde des Sterbenden. Dieser lächelte nur und schüttelte den Kopf. Ich war in diesem Augenblicke seiner Fortdauer gewiß; denn nur das endliche Wesen kann den Gedanken der Vernichtung nicht denken, während der unsterbliche Geist nicht vor ihr zittert, der sich, ein freies Wesen, ihr frei opfern kann, wie sich die indischen Weiber kühn in die Flammen stürzen, und der Vernichtung weihen. Ein wilder Wahnsinn schien bei diesem Anblicke den Pfaffen zu ergreifen, und getreu seinem Charakter redete er jetzt, indem ihm das Beschreiben zu ohnmächtig erschien, in der Person des Teufels selbst, der ihm am nächsten lag. Er drückte sich wie ein Meister darin aus, echt teufelisch im kühnsten Stile, und fern von der schwachen Manier des modernen Teufels. Dem Kranken wurde es zu arg. Er wendete sich finster weg, und blickte die drei Frühlingsrosen an, die um sein Bette blüheten. Da loderte die ganze heiße Liebe zum letzten Male in seinem Herzen auf, und über das blasse Antlitz flog ein leichtes Rot, wie eine Erinnerung. Er ließ sich die Knaben reichen, und küßte sie mit Anstrengung, dann legte er das schwere Haupt an die hochwallende Brust des Weibes, stieß ein leises, Ach! aus, das mehr Wollust als Schmerz schien, und entschlief liebend im Arm der Liebe. Der Pfaff seiner Teufelsrolle getreu, donnerte ihm, der Bemerkung gemäß, daß das Gehör bei Verstorbenen noch eine längere Zeit reizbar bleibt, in die Ohren, und versprach ihm in seinem eigenen Namen fest und bündig, daß der Teufel nicht nur seine Seele, sondern auch seinen Leib abfodern würde. Somit stürzte er fort, und hinaus auf die Gasse. Ich war verwirrt worden, hielt ihn in der Täuschung wahrhaft für den Teufel, und setzte ihm, als er an mir vorüberfahren wollte, die Pike auf die Brust. ,,Geh zum Teufel!" sagte er schnaubend, da besann ich mich und sagte: ,,Verzeiht, Hochwürdiger, ich hielt Euch in einer Art Besessenheit für ihn selbst, und setzte Euch deshalb die Pike, als ein ,Gott sei bei uns!' aufs Herz. Haltet mir's diesmal zugute!" Er stürzte fort. Bonaventura: Nachtwachen. Herausgegeben von W. Paulsen. Stuttgart 1974, S. 6-9. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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